Oasis Comeback: Stop Crying Your Heart Out

"Schon möglich." | © Andres Lehmann

Oasis starten ihre Welttournee. Ich hatte eine Karte und habe sie verkauft. Eine richtige Entscheidung, die mich aufwühlt.

Heute Abend startet die Tour. In Cardiff. Oasis sind zurück. Ich bin ein großer Fan der Combo, seit dem ich das erste Mal „Don’t Look Back in Anger“ gehört habe. Das Lied lief damals im Abspann des ZDF EM-Studios. Ich fragte in der Musikabteilung bei Brinkmann in der Kassler Kurfürsten Passage nach der Single „Oasim, oder so ähnlich, mit Don’t look back irgendwas“. Der Verkäufer drückte mir die Single in die Hand – mit einem Gesichtsausdruck, der besagte: Richtig so. In den Wochen darauf tauchte ich ab in die Musik der beiden bis dahin veröffentlichten Alben – welch Kompositionsfeuerwerk!

Doch erst wenige Tage vor ihrer Auflösung – E-Gitarren kreisten Backstage in Paris – habe ich das kongeniale Brüder-Gespann in der Hamburger Sporthalle live gesehen. Mit dabei war damals unter anderem Zusammengenbaut-Urgestein Michael. Mit ihm gemeinsam hatte ich am Tage des Verkaufsstarts für die diesjährige Tour im letzten Sommer versucht, Karten für eines der Manchester-Konzerte zu ergattern. Nach stundenlanger Wartezeit die Überraschung: Eine Karte war noch für 150 Euro zu bekommen, doch hätte ich zwei Karten erworben, dann hätten wir gemeinsam über 700 Euro zahlen müssen. „Dynamic pricing“ – der Aufschrei war groß, nicht nur bei uns. Die Sekunden im Kaufbildschirm liefen runter, und Michael hat ein Machtwort gesprochen: „Dann kauf wenigstens eine Karte. Du wolltest sie unbedingt wieder gemeinsam auf der Bühne sehen!“ Gesagt, getan, aber mit einem mulmigen Gefühl: Sollte ich wirklich alleine, ohne Michael, nach Manchester reisen? Nur um zu sehen, wie Noel und Liam Gallagher wieder gemeinsame Sache machen?

Die Vorfreude war groß, trotz all der Umstände. Doch als ich sah, dass Hotelübernachtungen mindestens 500 Euro pro Nacht kosten, dass die Flugzeiten äußert ungünstig sind und mich obendrein die Frage beschäftigt, ob Oasis womöglich im Jahre 2026 aufs europäische Festland kommen, habe ich meine Karte bei Ticketmaster zurückgegeben.

Es ist die richtige Entscheidung, aber sie fühlt sich heute, hier vorm Rechner sitzend, so dermaßen falsch an. In den letzten Tagen haben mich all die Videos der Soundchecks (das Stadion in Cardiff von außen gefilmt… man kann Liams Stimme erahnen, gepaart mit Möwen-Geräuschen) „zurückgeworfen“ – in eine Zeit, als ich all das noch miterleben durfte.

Oasis live zu sehen ist ein Traum. Wir standen damals in der Sporthalle etwa in Reihe 25, ein wenig weg vom Tumult (der sich bei den Konzerten in Großbritannien jedoch durch alle Reihen zieht, wenn ich mir so ältere Videos anschaue). Doch als „Morning Glory“ ertönte, kannte ich kein Halten mehr, und bin damals, vor sechszehn Jahren, irgendwo in den ersten Reihen mitgeschwommen. Diese Klangwucht! Diese Stimme von Liam, die Melodik.

Doch Oasis sind auch eng verwurzelt mit den hormonellen Irrungen meiner 20iger Jahre. Klar, jeder kennt das: Musik, die eng mit Ereignissen verknüpft ist. Es gab diese eine Person, die ich geradezu angehimmelt habe. Und als mich just jene junge und tanzwillige Dame ansprach, bin ich aus… allen Wolken gefallen. Über Monate hinweg vermochte ich mich nicht vernünftig mit ihr zu unterhalten. Damals war gerade die neue Oasis-Single „Stop Crying your Heart Out“ erschienen, eine wunderschöne Ballade. Ich ging zum DJ im Kasseler Rockschuppen MT, und bat ihn um 1 Uhr nachts, bitte diesen Song zu spielen. Ungläubig schaute er mich an. „Den kann ich nachher um 4 Uhr als Rausschmeißer spielen.“ Ich blieb an seiner Kanzel stehen, und sagte: „Bitte, es ist wichtig!“ Er holte tief Luft, und spielte ob meiner Beharrlichkeit als nächsten Song „Stop Crying your Heart Out“.

Die Tanzfläche leerte sich schlagartig. Niemand tanzte. Nun, ich musste auf den Dancefloor und gab mich den Beats hin. Kurze Zeit darauf bemerkte ich, dass sich noch eine zweite Person auf die Tanzfläche wagte. Es hätte alles so schön sein können.

Mein Scheitern habe ich einst aufgeschrieben und im Eigenverlag meines Vaters (schönen Dank nochmal!) als Buch veröffentlicht (wunderbare brotlose Kunst). Das Buch nahm ich eben das erste Mal nach vielen Jahren wieder zur Hand, nach dem ich… Oasis gehört habe.

Durch das Netz geistert seit gestern Abend die mögliche Setlist für die Comeback-Tournee. „Stop Crying Your Heart Out“ fehlt. Es gibt kein Zurück.

Andres Lehmann

Einst mit LEGO City und der 12V-Eisenbahn durchgestartet, Sammler von Creator Expert, Ideas, Architecture und City Modellen und baut gerne MOCs, die hoch hinaus gehen.

11 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Nenn‘ die Dinge doch beim Namen: Du warst ein Groupie! 😉

    Es ist nie falsch auf sein Bauchgefühl zu hören. Bei solchen Kosten und Reisestrapazen muss immer die Vernunft gewinnen.

  2. So, I started to learn how to play guitar. My wife asked me to stop practicing Wonderwall. I said maybe …

  3. „Doch Oasis sind auch eng verwurzelt mit den hormonellen Irrungen meiner 20iger Jahre.“
    Same here. Immer wenn „Wonderwall “ im Radio läuft, muss ich an meine erste große Liebe denken…
    There are many things that I would like to say to you
    But I don’t know how…

  4. Wenn wir beim Thema Musik sind, Andres: Ich habe ja gestern den neuen Song von Eric Church entdeckt: https://www.youtube.com/watch?v=-UUZykcidqE&list=RD-UUZykcidqE&start_radio=1

    „Hands of Time“ und den finde ich ziemlich super. 😉

  5. Hallo Andres, hoffentlich reibe ich kein Salz in Deine Wunden: https://www.youtube.com/watch?v=3a6MNCuw-S4

  6. Habe sie damals in München live erlebt. Ihr letztes Konzert in Deutschland vor der Auflösung. Das war schon was Besonderes. Und komplett durchgespielt, ohne Prügeleien oder sonstigen Störungen mit denen die Band ja gerne mal aufgefallen war.

    Als ich letztes Jahr von der Reunion hörte freute ich mich…aber kein Konzert in Deutschland. Das fand ich schade. Dazu noch der Quatsch mit den Preisen. Ich werden mal abwarten ob da nicht vielleicht nächstes Jahr was zu uns rüberkommt. Würde ich gerne mal wieder live erleben.

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