Ich verweilte in Japan, als der Review-Auftrag für das Set LEGO Art 31208 Hokusai – Große Welle kam: Meine Suche nach einem Originaldruck!
Drrrrrt… drrrrrt…
„Ja?“ – „Andres hier. Hast du kurz?“ – „Na klar. Was gibt’s?“
– „Du musst nach Japan. Wegen dem Wellen-Ding, das neue Art Set. Das Original hängt im National Museum in Tokio. Ich kann keinen anderen schicken… Kriegst du das hin?“
– „Hm… schwierig. Aber wenn’s dringend ist. Ich brauch aber den Jet. Abflugbereit in zwei Stunden.“
– „Kein Thema, hab ich schon klar gemacht. Die üblichen Spe…“ – „Halt, halt, mein Freund. Nix mit ‚die üblichen Spesen‘. Fünfhundert pro Tag. Ist immerhin dringend.“ – „Ok, ja. Mein ich ja. Die üblichen Spesen reichen natürlich nicht, wollte ich sagen. Lass mich doch ausreden, du Saftnase…“
– „HEY! Was meinst du mit…“ BIIIIIEP BIIIIIEP „Was?“ – „Wie, was?“ BIIIIIEP BIIIIIEP – „Hör mal auf mit dem..“ BIIIIIEP BIIIIIIEP
…und dann hat mich der Wecker aus dem Schlaf gerissen. Sehr schräger Traum. Kurz sammeln und sortieren, was ist Wirklichkeit, was Fiktion. Alles klar. Ich bin wirklich in Japan und habe vor einem Tag erfahren, dass ich ein Review über das neue LEGO Art Set 31208 Hokusai– Große Welle 📝 schreiben soll. Dabei wäre ich fast nicht auserwählt worden, unglaublich! Unser Ambassador hat tatsächlich allgemein in der Redaktion gefragt, wer sich mit Hokusai beziehungsweise japanischen Künstlern auskennt. Es geht um ein neues LEGO Art Set. Entschuldigung?? Ein Viertel des ablaufenden Jahres habe ich in Japan verbracht. Und ein weiteres Viertel damit, Mosaike für die Zusammengebaut 2022 zusammenzustecken. Gut, das mit den japanischen Künstlern ist jetzt nicht so meins (die große was von Hoku-wem?). Aber das notwendige Wissen kann ich mir ja aneignen. Zumal: ich BIN gerade in Japan. Das passt doch wie die Faust aufs Auge.
Dank den liebenswürdigen Hinweisen eines Redaktionskollegen („Japan? Das wäre doch André… Mosaik? Dann doch erst recht…“) wurde mir die Aufgabe zugeteilt, ohne dass ich jemanden zu einem Sumo-Wettkampf herausfordern musste.
Natürlich stellte ich mich umgehend den neuen Pflichten und startete mit der Recherche. Schnell ergab sich, dass ein Original der Die große Welle vor Kanagawa (korrekterweise eigentlich Unter der Welle im Meer vor Kanagawa) des großen Meisters Katsushika Hokusai im Nationalmuseum in Tokio ausgestellt wird. Ein Original, wohlgemerkt, nicht das Original. Das Kunstwerk ist ein Holzfarbdruck. Aus Holzplatten wird für jede Druckfarbe eine Art Stempel herausgeschnitzt. Diese werden mit Farbe angemalt und nacheinander auf Papier gedruckt.
36 verschiedene Motive, jeweils den berühmten japanischen Berg Fuji beinhaltend, hat der Künstler entworfen. Einige Zeit darauf folgten weitere zehn Bilder, insgesamt nun also 46. Dennoch heißt die Serie die 36 Ansichten des Berges Fuji. Von jedem Motiv wurden tausende von Drucken erstellt. Eine gewisse Exklusivität ergibt sich aus dem Umstand, dass sich das alles um das Jahr 1830 abspielte, also eine ganze Ecke her ist. Die vorhandenen Drucke sind dementsprechend selten und werden unter anderem im britischen Museum in London, im Metropolitan Museum of Art in New York und im Museum für angewandte Kunst in Wien ausgestellt. Auch in Deutschland befindet sich ein Exemplar im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Das Who’s Who der weltweiten Museen. Aber nichts davon ist authentischer, als im Originalland, in der Stadt des Wirkens, einen Abzug abzulichten. Für Zusammengebaut! Für die Leser! Träne-aus-dem-Auge-wisch
So machte ich mich an einem Sonntag Ende November auf den Weg. Lustigerweise befand sich mein Hotel in der Präfektur Kanagawa (wir erinnern uns, „die große Welle vor….“), welche in der Tokio-Yokohama Metropolregion liegt. Bis zum Nationalmuseum war es etwa eine Stunde Fahrt mit der Bahn. Das Wetter war traumhaft. Milde 20 Grad und strahlend blauer Himmel. Ich war beileibe nicht der Einzige, den es nach draußen zog. Vom Bahnhof Ueno waren es nur einige Minuten Fußmarsch zum Museum, welches in einem riesigen, parkähnlichen Komplex liegt, in dem sich viele andere Museen, aber auch ein Zoo befinden. Der Magnet für Alt und Jung an diesem Tag.
Ich kämpfte mich durch die Massen und näherte mich einem Gebäude, welches aus meiner Sicht das Nationalmuseum sein müsste. Um auf Nummer sicher zu gehen, steuerte ich ein kleines Häuschen an, das wie eine Info aussah und fragte die junge Dame hinter dem Glas, ob ich hier richtig wäre und Hokusai’s berühmtes Bild „Die große Welle vor Kanagawa“ hier ausgestellt wäre. Sinngemäß. Meiner Erfahrung nach ist die Kommunikation in Japan meist recht schwierig. Die Japaner sprechen nicht oder nur kaum Englisch, oder sie können Englisch sprechen, trauen sich aber nicht richtig. Und mein
Japanisch ist unter aller Kanone. Daher hatte ich ein Foto des Zielobjekts auf meinem Handy, hielt es der Dame unter die Nase und fragte mit größtmöglicher Höflichkeit „Das da hier? Kann ich sehen?“. Die nicht minder höflich formulierte Antwort fiel kurz aus: „Uh. Sorry. Nein.“
Ich stutzte. Wie, nein? „Hier Tokio National Museum?“ – „Ah. Ja.“ – „Dann das da hier?“ – „Uh. Sorry. Nein.“ Mist. Nach weiterer einsilbiger Kommunikation stellte sich heraus, dass das Werk zwar hier im Museum ist, aber derzeit nicht ausgestellt wird. Ich war fassungslos. DAS berühmteste, japanische Kunstwerk der Welt, von DEM berühmtesten japanischen Künstler, ist hier, und die lieben Leute stellen es nicht aus!? Wer trifft hier die Entscheidungen? Ich bedankte mich höflich und beschloss, dennoch ins Museum hineinzugehen. Zum einen war ich schonmal hier. Zum anderen könnte es sich immer noch um ein Missverständnis handeln. Vielleicht hatte die hilfsbereite Dame verstanden, ich wolle den Druck erwerben und mir nur höflich erklärt, dass dies nicht möglich sei. Zu guter Letzt gibt es 45 weitere Bilder dieser Serie. Vielleicht sind ja andere ausgestellt.
Darüber sinnierend, ob wohl der Kurator des Louvre auch auf die Idee kommen würde, die Mona Lisa von Zeit zu Zeit in den Keller zu stellen („…damit sich die Leute nicht satt sehen…“), stellte ich mich in die nicht allzu lange Schlange an der Kasse und kaufte ein Ticket.
Die Suche dauerte nicht lang. Vorbei an unzähligen steinernen Statuen, altertümlichen Kunstwerken und Gewändern, fand ich tatsächlich zwei Werke des Meisters. Nicht die „große Welle“, das erste Bild der 46-teiligen Serie. Aber mit der Nummer drei Gewitter unterhalb des Gipfels und Nummer 20 Ushibori in der Provinz Hitachi fühlte ich mich dem Künstler mehr als nur auf der Spur. Eine kaum erklärbare Verbindung zum neuen LEGO Set war geschaffen. Besser konnte ich meinen Auftrag nicht erfüllen und hatte mich des Reviews als würdig erwiesen.
Na gut. Das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Dennoch freute ich mich über meinen Erfolg, wenigstens irgendwas von Hokusai aufgetrieben zu haben und will euch den fotografischen Nachweis nicht schuldig bleiben. Viel Spaß mit den Bildern.
Das berühmteste Exponat aus der Ausstellung zu nehmen… ts…
Ein klein wenig näher bin ich der großen Welle dann doch noch gekommen. Man mag den Druck aus der Ausstellung genommen haben, aber zumindest auf dessen kommerziellen Beitrag wollte man nicht verzichten. Im Museumsshop konnte ich einen Kühlschrankmagneten, eine hübsche Postkarte und ein kleines Kanagawa-Wellen-Notizblöckchen erwerben. Wer als erster folgende Frage in den Kommentaren beantwortet, bekommt die Souvenirs (wie gesagt, original aus dem Tokio Museum in Tokio!) von mir zugeschickt: wie viele Mosaike hatte ich auf der Zusammengebaut 2022 ausgestellt?
Eure Meinung!
Habt ihr euch auch schon mal auf die Suche nach einer Vorlage eines LEGO Sets und Japan besucht? Äußert euch gerne in den Kommentaren!
30. Dezember 2022 um 13:25
Hallo André,
toller Artikel. Das Set werde ich mir auf jeden Fall kaufen. Leider kann ich dir nicht sagen, wieviele Mosaike du für die Zusammengebaut 2022 gesteckt hattest, aber auf jeden Fall scheint es ein viertel Jahr gedauert zu haben, also wohl viele Mosaike. 😉
Gruß
Sebastian
30. Dezember 2022 um 13:33
Die Enttäuschung kenne ich sehr gut. Die Welle ist mein absolutes Lieblingskunstwerk, aber „in Echt“ gesehen habe ich es leider noch nie. Als ich im Nationalmuseum war, war es auch „gerade nicht da“, sehr traurig. Immerhin habe ich mir das passende Mauspad kaufen können, was mir bis heute gute Dienste leistet.
Der Rest des Museums ist aber auch ganz nett. Naja, vielleicht nächstes Mal mit Welle…
30. Dezember 2022 um 13:50
So erging es mir im März im MoMA: „Unsere Exponate von Chagall werden aktuell leider nicht ausgestellt.“
Meine Tränen sind nach Tagen getrocknet. 😉
@Andre: Eine ganz fantastische Geschichte! Deine Reiseberichte aus Japan finde ich immer faszinierend. Hoffentlich bist du bald wieder dort! 😀
30. Dezember 2022 um 17:19
als nächstes steht Indien auf dem Programm 😉
31. Dezember 2022 um 0:21
Da war ich vor 2 Wochen. Mitten in Neu Dehli, Patel Nagar. Ich will es so sagen: Interessante Erfahrung, die ich nicht missen will, aber nie wieder! Das reinste Chaos. Laut, staubig, Smog, aufdringliche Touri-Hawker. Muss man mal erlebt haben, aber sonderlich angenehm war es nicht.
30. Dezember 2022 um 13:44
Hallo Andre, toller Beitrag! Es waren sechs 6 Mosaike!
30. Dezember 2022 um 14:15
Stimmt 😊👍 Herzlichen Glückwunsch!
Schick deine Adresse an info (at) zusammengebaut.com.
Die Souvenirs machen sich dann Anfang des neuen Jahres auf den Weg!
…zusammen mit einem lebenslangen Werbeabo 😜
(war natürlich nur Spaß; Adresse wird direkt wieder gelöscht…)
Guten Rutsch!
30. Dezember 2022 um 13:51
Hallo!
Die Anzahl deiner Mosaike ist – leider nicht bekannt ;-p
Aber zum Berg Fuji hab ich vor kurzem eine interessante Doku gesehen: es ist ein schlummernder Vulkan, der das letzte Mal vor ca. 300 Jahren ausgebrochen ist – was jederzeit wieder sein könnte!
Der Vulkan liegt am pazifischen Feuerring – die aktivsten Vulkane der Welt sind da zu finden 😉
Er ist vor Allem wegen seiner perfekten Kegelform ein sehr beliebtes Objekt für Kunstwerke.
Wünsche einen guten Rutsch!
lg Woody
30. Dezember 2022 um 13:57
und jetzt nochmal mit weniger Hektik – Deine „Reiseeindrücke“ von Japan sind immer sehr unterhaltsam und nett zu lesen. Ich war beruflich oft und auch länger in Korea, daher kann ich Deine Begeisterung für Japan als fernöstliches Land nachvollziehen! Japan fand ich auch schön, Sendai genau ein Jahr vor dem Tohoku, Yokohama und Hiroshima unvergessen! Ich freue mich auf die Souvenirs, ich erstatte Dir auch gern das Porto!
30. Dezember 2022 um 17:18
…brauchst mir sicherlich nicht das Porto erstatten 😊 Das wär ja noch schöner, bei einem Gewinnspiel…
30. Dezember 2022 um 14:16
Fantastischer Beitrag :- D Japan ist wirklich eine ganz andere Welt und faszinierend! Doofe Frage aber: Sind die Busse bei deinem Büro so ca 40 Jahre alt? 😉 Hätte mir die in Japan moderner vorgestellt 😛 ich hab von den Mosaiken keine Ahnung aber werfe einfach mal 8 in den Raum
30. Dezember 2022 um 16:29
Der Schein trügt nicht – die meisten Linienbusse die man im Land sieht, sind mindestens so alt wie ich (die Schätzung mit 40 Jahren ist also nicht sonderlich falsch 😀 )
30. Dezember 2022 um 17:15
…aber gepflegt! (wie fast alles dort 🙂 )
30. Dezember 2022 um 17:20
…8 war nicht schlecht geschätzt. Nur etwas zu spät und etwas zu falsch 😜 (6 wären es gewesen)
30. Dezember 2022 um 16:25
Auch im Louvre hängt nicht immer die „echte“ Mona Lisa in der Ausstellung, sondern oft genug nur die Kopie.
Aber zum Glück gibt es von der Welle ja mehr „Originale“ als von der Mona Lisa, in Museen auf der ganzen Welt (auch hier bei uns in Wien gibt es einen Originalabdruck) 😉
Ich habe zwar die Welle in Tokio im National Museum gesehen, dafür aber nicht Godzilla 😀
Die Videoinstallation der Welle im Teamlab Borderless war sehr sehenswert. Das hat aber geschlossen, und ich weiss nicht, ob es schon eine neue Location gibt.
30. Dezember 2022 um 16:31
Hallo Andre, da ist das Set noch nicht einmal erschienen und schon macht die große Welle
eine mächtig große Welle. Nee, nun mal Spaß beseite, ein absolut toller Beitrag über den Ursprung eines genauso tollen Sets. Mir gefällt es und ich werde es mir zulegen. Da die LEGO-Mosaike ja nur aus einiger Entfernung richtig wirken, sollten die Verantwortlichen in Billund mal über die Werke der Impressionisten nachdenken. Die brauchen auch einen gewissen Abstand um Eindrücke zu wecken.
30. Dezember 2022 um 19:07
Kunst wird gerne mal ausgeliehen, damit ein anderes Museum interessante Werke thematisch gemeinsam ausstellen kann. Die Mona Lisa zieht wohl nicht so oft um, aber die Dame mit Hermelin ist vor einiger Zeit außerhalb Krakaus gezeigt worden.
Ich war in Pennsylvania um Fallingwater anzuschauen. Leider ist das Lego Architecture Set auch gebraucht zu teuer, um es mir passend zum Besuch zu kaufen.
31. Dezember 2022 um 21:02
Hi André, ich lese deine Artikel immer sehr gerne. Macht mir einfach Spaß und gute Laune und ich mag deinen Humor. Danke! Guten Rutsch und ein feines fröhliches gesundes neues Jahr!