Die LEGO 40690 Hommage an die Bücher von Jules Verne erschien im Sommer als GWP. Sind Jules Vernes Werke auch in LEGO-Form erkennbar?
Bereits seit einigen Jahren bietet LEGO Tribut-Sets zu berühmten Persönlichkeiten in GWP-Form an, darunter Charles Dickens (40410, 2020), Amelia Earhart (40450, 2021), Jane Goodall (40530, 2022) und Galileo Galilei (40595, 2023). Mit der 40690 Hommage an die Bücher von Jules Verne folgte nun 2024 der fünfte Teil dieser – zueinander wenig kompatiblen – Reihe.
Vom 21. bis 30. Juni 2024, beziehungsweise so lange (oder kurz) der Vorrat reichte, war das Set für 150 Euro Mindestbestellwert im LEGO Online Shop und den LEGO Brand Stores erhältlich. Für das 347-teilige Set mit einer Minifigur gibt LEGO den Gegenwert mit 24,99 Euro an, die Altersempfehlung liegt bei 12+.
Jules Verne ist nicht der erste bedeutende Schriftsteller, der es geschafft hat, in LEGO-Form umgesetzt zu werden, neben Charles Dickens (40410, 2020) wurde auch Hans Christian Andersen (40291, 2018) entsprechend geehrt. Die Liste potentieller Kandidaten von Weltbedeutung lässt sich ewig fortsetzen, ich bin also gespannt, welche Sets in Zukunft noch erscheinen werden.
Nahezu sämtliche Werke Jules Vernes habe ich (in der Originalübersetzung) gelesen, weitestgehend zweimal, teils häufiger. Von daher war ich sehr daran interessiert, dieses Review schreiben zu können. Die kurze Verfügbarkeit des Sets, verbunden mit der diesmal recht langen Lieferzeit nach Bestellung, hatte mich aber bewogen, das Review so lange auf Eis zu legen, bis das GWP zurückkehrt. Nachdem dies zumindest bisher nicht der Fall war, veröffentlichen wir das Review ohne direkten Anlass, nur aus Freude an dem Set.
Inhaltsverzeichnis
Eckdaten
- Thema: LEGO Miscellaneous / GWP
- 351 Teile
- 24,99 Euro Gegenwert / 150 Euro Mindestbestellwert
- 1 Minifigur
- Release am 21. Juni 2024
- Zur Bauanleitung 🗺
- Im LEGO Online Shop 🛒
Hintergründe
Jules Verne (1828–1905) war ein sehr bedeutender französischer Schriftsteller, der als Mitbegründer der Science Fiction gilt – wenngleich seine Ideen grundsätzlich umsetzbar gewesen wären, was ihn gerade von heutigen Autoren unterscheidet, aber auch von Zeitgenossen wie H. G. Wells (Der Krieg der Welten, Die Zeitmaschine). Er stand in reger Korrespondenz zur wissenschaftlichen Crème de la Crème und konnte dadurch aktuelle Entwicklungen in seine Werke einfließen lassen. Sein Œuvre umfasst in erster Linie Abenteuerromane, aber auch einige Kurzgeschichten und eine sehr interessante historische Abhandlung zur Entdeckung der Erde. Die meisten Romane erschienen als Fortsetzungsgeschichten im Rahmen der Voyages extraordinaires im Verlag Pierre-Jules Hetzel.
Überblick
Anmerkung: In der folgenden Übersicht nutze ich die Titel der Versionen, die mir vorliegen (gewöhnlich die Erstübersetzungen) und nicht immer die aktuelle Schreibweise reflektieren. Meist handelt es sich um illustrative Beispiele, die die Breite des verneschen Opus reflektieren sollen, und nicht um einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Aufzählungen.
Als wiederkehrendes Thema in Jules Vernes Romanen sind die technischen Möglichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu nennen, vor allem die Eisenbahn und Dampfschifffahrt. Viele Werke befassen sich mit Reisen, sei es als Mittel zum Zweck (Reise um die Erde in 80 Tagen, Keraban der Starrkopf), sei es als Ziel selbst (Die Propellerinsel, Claudius Bombarnac).
Die technologischen Innovationen zu Zeiten Jules Vernes haben die Welt gewandelt, so ist es wenig verwunderlich, dass die Schifffahrt (Eine schwimmende Stadt, Der Chancellor, auch Die Jangada), Dampfkraft (Das Dampfhaus) und Elektrizität (Robur der Sieger) eine bedeutende Rolle in den Romanen spielen. Einige Dinge, die zu Zeiten Jules Vernes noch Fiktion waren, wurden schließlich Realität, etwa Hubschrauber (Robur der Sieger), über 200 km/h schnelle Automobile (Herr der Welt), große Unterseeboote (Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer) oder Wohnmobile (Das Dampfhaus).
In einigen Werken wird die Raumfahrt des 20. Jahrhunderts vorweggenommen (Von der Erde zum Mond, Reise um den Mond), oder auch komplett fiktionalisiert (Reise durch die Sonnenwelt). Technologische Fortschritte werden dabei als selbstverständlich dargestellt (Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer, Die Propellerinsel, Kein Durcheinander). Die unvermeidlich damit einhergehende menschliche Hybris klingt dabei aber auch immer wieder an (Robur der Sieger, Herr der Welt, Vor der Flagge des Vaterlands, auch Ein Drama in den Lüften).
Ein wiederkehrendes Motiv, gerade in den früheren Romanen, sind Schiffbrüche (Der Chancellor), oft mit folgender Robinsonade (Das zweite Vaterland, Zwei Jahre Ferien, Die Schule der Robinsons, auch Die geheimnißvolle Insel), aber auch allgemein Reisen aller Art (Die Kinder des Kapitän Grant, Die Leiden eines Chinesen in China, Mistreß Branican, Meister Antifer’s wunderbare Abenteuer). Diese können mithin auch komische Züge annehmen und als Ergebnis einer Wette (Reise um die Erde in 80 Tagen) oder eines Testaments (Das Testament eines Excentrischen) folgen.
Viele Romane sind über weite Strecken typische Abenteuerromane und spielen oft in noch kaum erforschten Gegenden, so in Afrika (Fünf Wochen im Ballon, Ein Kapitän von fünfzehn Jahren, Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika, Der Südstern oder Das Land der Diamanten, Das Dorf in den Lüften), Südamerika (Die Kinder des Kapitän Grant, Die Jangada, Der stolze Orinoco), Ozeanien (Die Gebrüder Kip), Russland (Der Courier des Czar) oder den Polargebieten (Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras, Das Land der Pelze, Der Goldvulkan, auch Eine Ueberwinterung im Eise). Selbst unter der Erde spielen einige Romane, so Reise nach dem Mittelpunkt der Erde und Schwarz-Indien. Teilweise ist das Motiv die Erforschung der Gegend, meist durch Europäer, teils sind die Protagonisten aber auch die ansässigen Eingeborenen oder Kolonisten.
Einige Romane sind Fortsetzungen bereits erschienener (Von der Erde zum Mond mit Reise um den Mond und Kein Durcheinander, Robur der Sieger mit Herr der Welt), wobei es teilweise, zwecks Nutzung realer historischer Gegebenheiten, zu zeitlichen Unstimmigkeiten kommt (Die Kinder des Kapitän Grant und Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer mit Die geheimnißvolle Insel).
Mit Die Eissphinx hat der französische Schriftsteller aber auch eine Fortsetzung der Erzählung des Arthur Gordon Pym aus Nantucket seines Vorbildes Edgar Allan Poe veröffentlicht, Das zweite Vaterland setzt den Schweizerischen Robinson Johann David Wyss‘ fort. Das Karpathenschloß ist ein klassischer Schauerroman, der möglicherweise Bram Stoker zu seinem Dracula inspiriert haben soll. Ein Drama in Livland kann dagegen als Kriminalroman angesehen werden. Schließlich bildet Mathias Sandorf eine Interpretation Alexandre Dumas‘ Der Graf von Monte Christo.
Politische Gegebenheiten treten in Jules Vernes Werken immer wieder auf, meist um kurz die politische Situation in einem fremden Staat zu erklären, aber auch als Hauptthema, etwa in Nord gegen Süd (amerikanischer Bürgerkrieg), Die Familie ohne Namen (kanadische Unabhängigkeit) oder Der Archipel in Flammen (griechische Unabhängigkeit). Die Schiffbrüchigen des Jonathan ist ein von Jules Vernes Sohn Michel Verne stark überarbeiteter politischer Roman, der Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus und Anarchie in einem Mikrokosmos am Ende der Welt (Magellanien) einander gegenüberstellt.
Im vorliegenden Set wurden drei der bekanntesten und frühesten Romane Jules Vernes umgesetzt: Fünf Wochen im Ballon (1863), Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer (1869–1870) und Reise um die Erde in 80 Tagen (1873). Fünf Wochen im Ballon stellt Jules Vernes ersten Roman dar, mit dem er bald Bekanntheit erlangte. Alle drei Romane wurden, wie viele andere seiner Werke, teils mehrfach verfilmt.
Fünf Wochen im Ballon
In Fünf Wochen im Ballon (Cinq semaines en ballon), erschienen 1863, beschreibt Jules Verne den erfolgreichen Versuch, in einem erstmals lenkbaren Ballon Afrika von Sansibar zum Senegal einmal zu durchqueren. Dr. Samuel Fergusson, Erfinder des Ballons, Abenteurer und Geograph, sein Diener Joe und sein Freund Dick Kennedy reisen 1862 von England nach Sansibar, um dort mit dem Gasballon die Reise zu beginnen. Durch ein starkes bunsensches Element kann das Gas erhitzt werden, sodass der Ballon aufsteigt. Durch Abkühlung sinkt er entsprechend ab, es handelt sich also um eine Hybride aus Gas- und Heißluftballon.
Auf der Reise entdecken beziehungsweise besuchen die drei Reisenden den Victoria- und Taschadsee, die mysteriösen Nilquellen, den afrikanischen Regenwald und die Sahara sowie Timbuktu. Wie bei Jules Verne üblich, wechseln sich Abenteuersequenzen mit historischen Abschnitten ab, die die Entdeckung Afrikas beschreiben. Unterbrochen wird dies von einigen komischen Einwürfen, meist Joes, etwa zum Namen der eingeborenen Nyam-Nyams. Schließlich erreichen die Reisenden nach vielen Gefahren und Mühen den Senegal. Der Ballon, nunmehr nur noch ein Schatten seiner selbst, hat sie in fünf Wochen erfolgreich einmal über den gesamten schwarzen Kontinent gebracht.
Für die damalige Zeit üblich ist die Darstellung der Superiorität der weißen gegenüber der schwarzen „Rasse“, so der damals normale Terminus. Ganz selbstverständlich beschreibt Jules Verne, wie sich die auf Entdeckung ausgezogenen Europäer mit Schusswaffen gegen die Afrikaner verteidigen, die erstere wahlweise für Götter oder Feinde halten. Diese Abschnitte, die in heutiger Literatur zensiert würden (und teils auch werden, wie etwa bei Mark Twain), werfen ein interessantes Licht auf die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und die europäischen Verhältnisse jener Zeit, was einer der Gründe dafür ist, warum Jules Verne mein Lieblingsautor ist.
Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer
In Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer (Vingt mille lieues sous les mers), erschienen 1869–1870, macht ein gewaltiges Untier den Schiffen auf See zu schaffen, versenkt oder beschädigt sie, nur um sofort davonzuschwimmen und an einem anderen Teil der Welt sein Tun fortzusetzen. Professor Pierre Aronnax, seines Zeichens französischer Meeresbiologe und Autor einer von Kritikern hochgeschätzten Abhandlung über Die Geheimnisse der Meerestiefen, wird beauftragt, mit der Fregatte Abraham Lincoln Jagd auf den vermeintlichen Narwal zu machen. Nach einer erbitterten Verfolgung des Untiers werden Professor Aronnax, sein Diener Conseil und der Harpunier Ned Land von Bord geschleudert und landen auf dem Narwal, der sich als neuartiges Unterseeboot herausstellt.
An Bord der Nautilus, so der Name des von Kapitän Nemo (bürgerlich Prinz Dakkar, wie es in Die geheimnisvolle Insel offenbart wird) befehligten U-Bootes, werden die drei „Gäste“ zu einer Reise durch die Weltmeere gezwungen. Das technisch perfekte, elektrisch angetriebene U-Boot bringt sie zu den Ruinen Atlantis‘, zum Südpol (dass dieser auf einem Kontinent, Antarktika, liegt, war damals unbekannt), durch einen natürlichen Kanal unterhalb des gerade gebaut werdenden des Lesseps und in alle Klimate der Erde. Einerseits unterstützt Kapitän Nemo die Unterdrückten aller Länder mit den Schätzen gesunkener Schiffe, andererseits macht er mit seinem Nautilus Jagd auf englische Schiffe. Es waren die Engländer, die ihn, einen indischen Prinzen, entrechteten, sein Volk unterdrückten und seine Familie töteten.
Während Professor Aronnax die Wunder der Tiefsee genießt und die Flora und Fauna erforscht, klassifiziert Conseil die gesammelten Mollusken. Ned Land dagegen begehrt immer stärker gegen die Gefangenhaltung an Bord des Nautilus auf, bis er schließlich, nach einem verheerenden Angriff des U-Bootes auf eine englische Fregatte, seine beiden Mitgefangenen zur Flucht bewegen kann – geradewegs im norwegischen Maelstrom.
Der als Reisebericht getarnte Roman schildert einerseits die unbegrenzten Möglichkeiten des Nautilus, andererseits die Wunder der Tiefsee. Die Reiselänge von 20000 Lieues (Leugen), also 80000 Kilometern, entspricht dem doppelten Erdumfang. Mit einer Tauchtiefe von 4 Lieues (16 Kilometern) nahm Jules Verne die Meerestiefe als deutlich größer an als heute bekannt – das Challengertief als tiefste bekannte Stelle der Weltmeere misst knapp unter 11 Kilometern. Die submarinen Welten spielen in Jules Vernes Werken häufig eine recht geringe Rolle, umso bedeutender ist Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer.
Reise um die Erde in 80 Tagen
Der bekannteste Roman Jules Vernes, Reise um die Erde in 80 Tagen (Le Tour du monde en quatre-vingts jours), erschienen 1873, verdeutlicht eindrücklich, wie „klein“ die Erde durch die fortschreitende Technisierung geworden ist. Durch die Fertigstellung einiger transkontinentaler Eisenbahnlinien und den weltweiten Dampfschiffverkehr sollte es möglich sein, innerhalb von 80 Tagen eine Weltreise zu unternehmen. Der Exzentriker Phileas Fogg wettet mit seinen Freunden vom Londoner Reform Club um 20000 Pfund Sterling, sein halbes Vermögen, dass es ihm gelänge, diese Reise zu unternehmen.
Zusammen mit seinem neuen Diener Jean Passepartout besteigt er daraufhin den Zug, um von London über Paris Brindisi zu erreichen, und steigt dort ins Dampfschiff nach Bombay/Mumbai um. Im Zwischenhalt Suez identifiziert der englische Geheimpolizist Mister Fix den eilig reisenden Phileas Fogg als denjenigen, der kurz zuvor die Bank von England beraubt hat, und versucht, seine Festnahme zu erwirken.
Dazu reist er mit ihm nach Bombay, wo der Haftbefehl aber noch nicht eingetroffen ist, und ist nun gezwungen, ihm weiter nach Kalkutta zu folgen. Auf einem Stück der noch nicht fertiggestellten transindischen Eisenbahnlinie steigen sie auf Elefanten um und retten die junge indische Witwe Aouda vor der Verbrennung.
Die von weiteren Zwischenfällen geprägte Reise setzen sie mit Eisenbahn und Dampfer über Kalkutta, Hongkong, Shanghai, Yokohama, San Francisco und New York fort, um schließlich das nach Bordeaux bestimmte Dampfschiff nach Queenstown/Cobh und Dublin umzuleiten. In Liverpool endlich kann der ständig mitgereiste Mister Fix Phileas Fogg nun endlich den Haftbefehl aushändigen. Bald darauf wird er auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht, da der echte Bankräuber bereits verhaftet ist, und Phileas Fogg, Passepartout und Aouda können nach London reisen, um nach 80 Tagen und fünf Minuten anzukommen.
Am nächsten Tag stellt sich, als Passepartout einen Reverenden mit der Trauung Phileas Foggs und Aoudas beauftragen soll, heraus, dass sie aufgrund der Überquerung der Datumsgrenze nach Osten dem Kalender um einen Tag voraus sind, benachrichtigt seinen Herrn und dieser trifft drei Sekunden vor Ablauf der 80 Tage im Reform Club ein, womit er die Wette gewinnt.
Reise um die Erde in 80 Tagen ist eine typisch vernesche Reisebeschreibung, bei der sich actionreiche Abenteuersequenzen und geographische Schilderungen abwechseln. Die ungewöhnliche Idee, mit der die Wette gewonnen wird, verhalf dem Roman zum Erfolg, während Jules Verne hier keine technologischen Fortschritte erdachte, sondern ausschließlich auf real vorhandene Verkehrsmittel und Verbindungen zurückgriff.
Setumfang
Nach diesem kurzen Überblick über die Figur, der das Set gewidmet ist, kommen wir „schon“ zum Set selbst. Der Karton ist in Grau gehalten, mit einem schwarzen Rand links und der typischen „Limited-Edition“-Banderole heutiger GWPs. Zwar hebt sich das Modell recht gut vom Hintergrund ab, mir ist er aber zu dröge gehalten. Und hier zieht auch nicht das Argument wie bei den 18+-Sets, dass ein schwarzer Karton edel und exklusiv wirkt, schließlich ist Grau nicht Schwarz und 12+ nicht 18+. Letzten Endes kommt es hier aber auch nicht zu sehr auf das Boxart an, denn dadurch, dass das Set eine Gratisbeigabe und kein Retail-Set ist, muss es keine Kunden im Shop überzeugen. Die Rückseite zeigt das Modell auch nur aus einer leicht anderen Perspektive, da es über keine Funktionen oder sonst unsichtbare Details verfügt.
Neben vier überraschend großen Plastiktüten zu den Bauabschnitten liegen dem Set vier große Platten lose bei, nebst Bauanleitung und einem Stickerbogen mit einem einzigen Sticker. Dieser trägt den Schriftzug „Jules Verne“, jedoch nicht seine Unterschrift, sondern etwas Lesbareres und vor allem vertikal Kleineres. Dazu kommen eine Windrose, eine gestrichelte Linie und Höhenlinien im Stil einer Landkarte, passend zu Jules Vernes Werken. Eine 2 x 6-Kachel mit Aufdruck seiner Unterschrift wäre mir persönlich lieber gewesen, hätte aber weder ins Modell noch wohl ins Budget der Designer gepasst.
Aufbau
Der Aufbau gliedert sich in vier Bauabschnitte, wobei zunächst die Minifigur gebaut wird, danach das Buch und die Mikromodelle auf ihm.
Minifigur
Die Minifigur soll Jules Verne (gen183) darstellen, was ich aber nicht erkenne. Auf zeitgenössischen Fotografien (1856, vor den drei hier gezeigten Werken, oder 1878, nach ihnen) trägt der Schriftsteller einen mächtigeren Bart, der entsprechend als separates Teil hätte angebracht werden sollen. Denselben Kopf (3626cpb1172) wie Gustave Eiffel (gen171) aus der 40579 Eiffels Wohnung zu nutzen, finde ich ansonsten aber in Ordnung, auch wenn ich mir mehr Abwechslung gewünscht hätte.
Auch der Rest der Figur ist einfach gehalten, ein generischer, aber durchaus passender Torso (973pb5311c02) und eine unbedruckte Hose sowie ein häufig genutztes Haarteil (21268), das etwa auch Galileo Galilei (idea171) aus der 40595 Hommage an Galileo Galilei nutzt.
Als Zubehör wurde Jules Verne passenderweise eine Feder in die Hand gegeben, wenngleich der Brief wenig adäquat ist. Ein Buch oder eine Schriftrolle hätten ihn weitaus besser wiedergegeben. So komme ich nicht umhin, die Minifigur für etwas lieblos zu halten – es ist ja aber auch nur ein GWP.
Buch
Die Basis des Buches wird mit Platten und Kacheln, nebst einigen Steinen, gebaut. In die Lücken können später die Brackets des Hintergrundes greifen. Und ja: Die Teile im Inneren sind durchweg quietschbunt, man sieht es aber später nicht mehr. Der Bau des Lesezeichens mit einem Curved Slope (37352), zwei Arches (70681) und zwei Wedges (29119/29120) ergibt ein sehr realistisches Bild eines Stofffadens, der sanft zwischen den Seiten hindurchfließt.
Das Wasser ist in Blau und Dunkelblau gehalten, der Himmel in Bright Light Blue. Ich hatte nicht erwartet, eine derartige Vielfalt an SNOT-Bauweise in einem so kleinen Modell zu finden, das hat den Aufbau überraschend interessant gestaltet. Dafür ist das Submodell so noch sehr labil, erst im Buch hält dann alles zusammen. Ebenso überrascht war ich, dass der aufgeklappte Buchrücken einzig durch die A-Platten (15706) festgehalten wird, ohne dass das Modell zum Kippen neigt. Diese Platten werden später als Stützen der Brücke genutzt, was sie hervorragend ins Modell integriert.
Wie man sieht, passt das Konstrukt nahtlos in die Aussparungen des Buchdeckels. Mich stört aber die streifige Nutzung von Teilen in Dunkelblau, die dem Modell eine gewisse Unruhe verleihen. Auch die stellenweise genoppte Textur ist nicht perfekt, sondern gerade abgeschnitten, und zudem weist sie zwangsläufig nicht einmal dieselbe Höhe wie der glatte Teil auf.
Noch bunter sind die Kacheln für den Buchrücken, bei dem auch das Argument der besseren Orientierung dank farblicher Abstufungen kaum anwendbar ist. Aber, wie gesagt, man sieht davon später nichts mehr. Baulich ist der Teil recht ähnlich zum Buchdeckel und wird ebenfalls mit Brackets am Himmel befestigt.
Nun folgt der vordere Rand des Buches, der die vorherigen Seiten nachbildet und gleichzeitig den einzigen Aufkleber trägt. Auf den Noppen an den Ecken kann Jules Verne später befestigt werden. Für mich hätte es dieser Textur nicht bedurft, allein zwei Noppen zur Befestigung wären ausreichend gewesen.
Auf sehr ähnliche Weise folgt die Umrandung des Himmels, die das Buch als solches abschließt. Interessanterweise sind hier zwei 1 x 1 x 5-Steine (2453b) in Bright Light Blue genutzt worden, die zum 1. Juni erst neu erschienen sind (in der 42638 Burg mit Ferienunterkunft), und dementsprechend bei BrickLink als neu gelistet sind. Sie sind aber ganz offensichtlich nicht extra für dieses Set neu eingefärbt worden.
Mikromodelle
Als erstes der Mikromodelle wird der Ballon aus Fünf Wochen im Ballon gebaut. Er steht auf einer transparenten Stange, dank gewinkeltem Verbinder (65578) im 45°-Winkel vom durch die A-Platten ebenfalls um 45° geneigten Hintergrund abgehoben, über den Wolken und ist sehr schön modelliert. Die 2023 erstmals erschienenen Curved Slopes (1871, jetzt neu in Sand Blue) sind ideal, um der Ballonhülle Farbakzente zu verleihen. Soviel ich weiß, wird die Hülle im Roman nicht als bunt geschildert, es wirkt aber optisch interessanter.
Mir erschließt sich auch nicht, warum die Verbindung zwischen Gondel und Ballon in Satin Trans-Clear gebaut wurde statt in bloßem Transparent, vielleicht soll so aber das erhitzte und dadurch flirrende Gas nachempfunden werden. Auf alle Fälle freue ich mich über die Wahl, da das Element auch als Ersatzteil für meine Sammlung beiliegt!
Nun folgt die Holzbrücke, die auf den A-Platten der Verbindung zwischen den beiden Buchteilen aufliegt. Ich hatte eigentlich eine feste Verbindung erwartet, die braucht es aber nicht, die vier Noppen am Boden genügen vollauf. Leider zeigen die Punkte vom Spritzguss an den dunkelbeigefarbenen invertierten Schrägsteinen (2310) direkt nach vorn, was LEGOs diesbezügliche Qualitätsprobleme aufzeigt. Die fertige Brücke gefällt mir aber hervorragend, gerade die Zäune (3633) an der Rückseite bilden sehr effektiv ein Geländer nach.
Der Nautilus ist recht komplex und kleinteilig gebaut, um die vielfältigen Formen nachbilden zu können. Hier bin ich enttäuscht, dass als Vorlage nicht die Beschreibung aus Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer genommen wurde, sondern ein stark abweichendes Modell aus einer Verfilmung. Zwar mögen viele Kunden dieses Aussehen eher mit dem Nautilus assoziieren, für mich stimmen die Form und Farbe aber einfach nicht. Wie sollte dieses Boot für einen Narwal gehalten werden? In Gold? Von diesem Manko abgesehen wirkt das Modell aber grandios!
Zu guter Letzt wird noch eine Dampflokomotive mit zwei Waggons gebaut, die einer aus der Reise um die Erde in 80 Tagen nachempfunden sein soll. Diese Wahl sehe ich recht kritisch, denn obwohl die Protagonisten in einigen Zügen unterwegs sind (in Europa, Indien und den Vereinigten Staaten), reisen sie ebenfalls per Dampfschiff, Elefanten und Segelschlitten. Auch weist nichts an der Lok speziell auf diesen Roman hin. Entweder hätte man Aoudas Befreiung im Dschungel nachbilden können – was sich nicht ins Diorama eingefügt hätte – oder sagen können, dass kein einzelner Roman Vorlage war. Schließlich spielen Dampfloks eine große Rolle durch Jules Vernes ganzes Œuvre hinweg, in Claudius Bombarnac findet sogar die ganze Reise in einem Dampflok-getriebenen Zug statt.
Wieder davon abgesehen, ist das Mikromodell sehr hübsch gebaut, wenngleich die Nice Part Usage (NPU) der Rollschuhe (11253) als Räder keine neue Idee ist – nur eben sehr wirkungsvoll!
Damit ist der Aufbau abgeschlossen und vor uns steht ein kleines, aber sehr hübsches Buch mit Mikromodellen von Fortbewegungsmitteln aus Jules Vernes Romanen. Das Modell wirkt sehr kohärent, was gerade durch die Verbindung der Brücke mit dem Himmel erreicht wird.
Ersatzteile
Eine, angesichts des kleinteiligen Aufbaus wenig überraschend, umfangreiche Anzahl Ersatzteile liegt dem Set bei, die ich als eine der besten Ersatzteil-Selektionen überhaupt anpreisen möchte. Eine halbrunde Kachel (1748) in Medium Nougat, ein Rollschuh (11253) in Flat Silver, eine Harpune/Pfeilspitze (18041) in Pearl Gold, ein Propeller (54568) und eine Flamme/Feder (37775) in Schwarz, eine Stange mit angewinkelter Noppe (65578) in Transparent, eine 1×1-Rundplatte (4073) in Satin Trans-Clear sowie eine Viertelkreiskachel (25269) in Metallic Gold bilden die zahlreichen Highlights der Elemente.
Finales Modell
Von oben sind Verbindungen der Brücke zum Himmel gut zu sehen, und vor allem, dass sie nicht störend auffallen.
Rundum ist das Modell zu Ende gebaut, es gibt keine Stelle, bei der an der Optik gespart wurde.
Das Buch kann auch stabil auf dem Himmel liegen, oder sogar aufrecht stehen. Aufgrund des herausschauenden Lesezeichens ist dies allerdings nur kopfüber möglich – ich bezweifle jetzt aber auch einmal, dass jemand das so ausstellen möchte.
Und zuletzt der Blick auf die Rückseite, die überraschend gut aussieht. Man müsste sie nur mit inversen Kacheln verkleiden, um die Noppenunterseiten zu verbergen, farblich ist aber alles sehr homogen gestaltet.
Fazit: 40690 Hommage an die Bücher von Jules Verne
Das Sets ist mit 347 Teilen und einer (leider sehr simplen) Minifigur ausgesprochen umfangreich, auch wenn viele Elemente sehr klein sind und damit die Gesamtgröße des Modells mit rund 16 x 18 Noppen nicht übermäßig wirkt. Die nachgebildeten Mikromodelle sind ausgesprochen detailliert und angenehm zu bauen, jedoch fehlt ihnen bisweilen der im Titel des Sets versprochene Bezug zu den Büchern Jules Vernes. Die Farben sind sehr kohärent gewählt, wenngleich die verschieden blauen Streifen im Meer unschön wirken.
Besonders gefreut habe ich mich über den unerwartet abwechslungsreichen Aufbau, der über eine halbe Stunde dauerte. Ebenfalls erfreulich ist, dass, abgesehen vom Aufkleber, keinerlei exklusive Teile beiliegen, also einem Nachbau des Sets nichts im Wege steht. Dennoch wurde auf eine Reihe hübscher Spezialteile zurückgegriffen, die vielfach auch als Ersatzteile enthalten sind.
Das größte Problem an dem Set ist für mich die kurze und limitierte Verfügbarkeit als GWP statt als normales Verkaufsset, es gab jedoch schon deutlich verlockendere Sets, die zu GWPs ernannt wurden.
Ideal wäre es gewesen, wenn noch eine unterirdische Szene zu Reise nach dem Mittelpunkt der Erde enthalten gewesen wäre, jedoch nutzen die Protagonisten dabei nur ihre Füße und keine technischen Hilfsmittel, auf denen offensichtlich hier der Fokus lag.
Insgesamt handelt es sich um ein Set, das Jules-Verne-Freunden wie mir gefallen dürfte, aber keine allzu große Begierde bei reinen LEGO-Fans auslösen sollte. Über BrickLink ist das Set momentan neu aus Deutschland für 30 bis 35 Euro erhältlich, was deutlich über LEGOs geschätztem Wert und auch meiner Sicht auf das Modell liegt.
Übrigens: Die Komposition der Szene als solcher hat mich an ein MOC erinnert, das ich letztes Jahr gebaut hatte und bei dem ich die Entwicklung der Technik im Verkehrswesen nachgebildet hatte. Und irgendwie spiele ich gerade mit dem Gedanken, jedem Roman Jules Vernes ein kleines Diorama zu widmen. Ich glaube, ich lege diese Idee mal auf den Stapel noch zu bauender MOCs, und in einigen Jahrhunderten sprechen wir uns wieder.
Bewertung
Positiv | Negativ |
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|
Benotung 🎵
Gesamtnote: 8 |
Von 1 (mau) bis 10 (wow) |
Eure Meinung!
Wie gefällt euch die Hommage an Jules Vernes Bücher? Wer hat die dargestellten Modelle sofort den richtigen Romanen zuordnen können? Und konntet ihr eines der Exemplare des Sets ergattern oder war es schon ausverkauft, bevor ihr eure Bestellung habt aufgeben können? Äußert euch gern in den Kommentaren!
3. Oktober 2024 um 10:13
Vielen Dank für die interessante Besprechung der Bücher und des GWP – das es ja nun nicht mehr gibt und das ich auch nicht habe. Ich fand es damals nicht so erstrebenswert – nicht zuletzt wegen der Figur. Ich bin – im Vergleich zu Dir – ein eher partieller Jules Verne Fan – ich liebe “In 80 Tagen um die Welt” – das ich in mehreren Ausgaben besitze. Habe als kleines Mädchen schon angefangen, mich aus der realen Welt mit Hilfe von Science Fiction Büchern – oder wie es bei uns hieß – utopischen Büchern – herauszulesen. Habe aber nie in “der Originalübersetzung” gelesen wie Du – was auch immer das ist. Vielleicht sollte ich den Jules Verne mal wieder herauskramen, jetzt, wo es draußen kalt und grausig wird.
Im Übrigen hätte ich dann gern so ein GWP mit Karl May – da würde ich direkt einkaufen – wenn Winnetou und Shatterhand dabei sind ;-)))
3. Oktober 2024 um 10:42
Karl May würde ich sofort unterstützen! Das meinte ich mit der Vielzahl umsetzungswürdiger Schriftsteller.
Zur Originalübersetzung: Viele Werke wurden mittlerweile mehrfach übersetzt und redigiert. Meine Übersetzungen sind die jeweils ersten, die noch nicht an den Geschmack der Zeit (und besonders den heutigen Ausdruck) angepasst wurden, einfach, weil zwischen der Erstveröffentlichung des Romans und der Übersetzung nur wenige Jahre lagen, statt anderthalb Jahrhunderte. Damit sind die Übersetzungen in meinen Augen authentischer, näher am Original. Und ich liebe den Ausdruck und die Schreibweise in Werken jener Zeit.
3. Oktober 2024 um 11:57
Verstehe – näher am Ursprung ist immer gut! Bei uns hier werden Kinderbücher mittlerweile praktisch neu geschrieben, um sie dem Zeitgeist anzupassen.
3. Oktober 2024 um 12:05
Ist hier nicht anders, siehe oben zitierten Mark Twain… Lieber editieren, bis der Arzt kommt, als einen Kommentar zu verfassen, der den Text in den Kontext seiner Entstehung setzt. Ich frage mich, wann Onkel Toms Hütte verboten wird, immerhin handelt es von Sklaverei…
3. Oktober 2024 um 21:29
Lieber Simon, vielen Dank für diese tolle Hommage an Jules Verne!!! Er war damals einer der Autoren, die dazu führten, dass mein erstes LEGO Zeitalter um 1980/81 endete, ich entdeckte Bücher, hatte damals so eine preiswerte Jules Verne-Reihe aus dem Fischer Verlag und die Exemplare aus der Stadtbücherei, aus der Abteilung für Erwachsene. Jules Verne führte zu Edgar Allen Poe (Lieblingsbuch: The Murders in the Rue Morgue), Alexandre Dumas (Lieblingsbuch: Der Graf von Monte Christo), Mark Twain (Lieblingsbuch: A Yankee in King Arthur’s Court), Rudyard Kipling (Lieblingsbuch: Kim), H. G. Wells (Lieblingsbuch: The Time Machine), … Natürlich auch Karl May, Fritz Steuben, Friedrich Gerstäcker, … Der Kurier des Zaren fehlt mir ein wenig im GWP, ich weiß, kitschig, nicht Jules Vernes bester Roman, aber: der erste den ich je gelesen habe! Konnte das GWP ergattern, habe es aber noch nicht gebaut, kommt sicher noch! Hach, ich sollte mehr bauen!!! Deine Rezension macht jedenfalls gute Laune, ich denke, ich lese direkt noch mal „Fünf Wochen im Ballon“.
5. Oktober 2024 um 11:31
Dass Jules Verne die Leidenschaft für LEGO beendet, hätte ich nicht erwartet. Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden…
Übrigens, so kitschig finde ich den Kurier des Zaren gar nicht (Kim schon eher), es ist ein hübscher, interessanter Roman über das Russische Kaiserreich. Also, für 2025 muss LEGO die Hommage an Jules Verne 2 herausbringen, abermals mit einigen seiner Werke. Die Frage ist nur, ob man das in der Chefetage auch so sieht…
5. Oktober 2024 um 23:27
Als ich das erste Bild von dem GWP gesehen habe, wusste ich, dass ich es haben muss. (Da musste dann ein Kann-Kauf, sowie die Tuxedo Katze als angedachtes Weihnachtsgeschenk für meine Mutter herhalten).
„Fünf Wochen im Ballon“ und „20.000 Meilen unter den Meeren“ habe ich gelesen, zahllose Verfilmungen der Jule Vernes Romane gesehen.
Dieses kleine Diorama finde ich wunderschön. Der winzige Zug ist einfach niedlich – bei der Dampflok muss meiner Meinung nach der Schornstein eine Noppe nach vorne gesetzt werden, damit es besser passt. –
Ich finde schon, dass man es mit In 80 Tagen um die Welt“ in Verbindung bringen kann. Alles andere wäre wieder komplizierter geworden und hätte vielleicht nicht rein gepasst.
Als Fan der Verfilmung von „20.000 Meilen unter den Meeren“ finde ich auch die Nautilus sehr gelungen und der Ballon schwebt so wunderbar über den Dingen.
Im Übrigen gefällt mir der Dreiklang des Modells sehr gut: Zu Wasser, über die Erde und in der Luft.
Ich habe es bei mir auf der Arbeit auf meinen Schreibtisch gestellt, damit ich es jeden Tag wieder genießen kann.