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LEGO Art 31210 Moderne Kunst im Review: Kunst oder Können?

Das ist Kunst. So heißt es. | © Simon Brandt

Kann ein LEGO-Set, das versucht, abstrakte Kunst neu zu interpretieren, neue Einsichten in ihr Wesen bieten? Ein Review zu moderner Kunst.

Nachdem LEGO 2020 die Themenwelt Art eingeführt hatte, erschien zunächst eine Reihe von meist wunderschönen Mosaiken, darunter die 31198 The Beatles, die 31202 Mickey Mouse oder die beeindruckende 31203 Weltkarte, bis heute das Set mit den meisten Teilen. 2022 erschienen die bisher letzten reinen Mosaike, darunter der 31204 Elvis Presley. Gleichzeitig bewegte sich die Themenwelt mehr in Richtung komplexer gebauter Modelle, darunter die 31206 The Rolling Stones, die 31208 Hokusai – Große Welle und demnächst der 31209 The Amazing Spider-Man. Dazu kommt noch die grandiose 21333 Vincent van Gogh – Sternennacht, die allerdings unter Ideas firmierte.

Während sich einige der Art-Sets mit Musikern befassen, sind die Große Welle und die Sternennacht mehr oder minder originalgetreue Nachbauten echter Kunstwerke mit LEGO-Steinen. Die jetzt erscheinende 31210 Moderne Kunst setzt insoweit neue Maßstäbe, als dass LEGO nun ein Kunstwerk herausbringt, das nicht auf einem originalen Vorbild basiert, sondern stattdessen selbst eines sein soll. Anders als bei den Vorgängern haben sich die Designer von echter moderner, in erster Linie abstrakter Kunst inspirieren lassen und versucht, den Eindruck zu LEGOfizieren, ohne dabei ein bestimmtes Bild nachzuahmen. Gleichzeitig soll das Set Wert auf eine gute Personalisierbarkeit durch den Käufer legen, sodass jeder sein ganz eigenes Kunstwerk erschaffen kann.

Moderne Kunst

Was ist moderne Kunst? Wikipedia zufolge wird der Begriff recht uneinheitlich genutzt und bezeichnet die Kunstrichtungen seit den 1870er Jahren, seit Beginn des Impressionismus, bis in die Postmoderne oder – nach anderer Auffassung – bis heute. Dabei steht nicht mehr die naturalistische Reproduktion eines Objektes im Fokus, sondern die Darstellung subjektiver Empfindungen beim Anblick der Objekte. Zynisch gesagt: Wer nicht in der Lage ist, naturalistisch zu malen, wird abstrakter Künstler. Abstrakte Kunst spezialisiert sich dabei auf die Reduktion von Motiven auf ihre geometrischen Grundformen und Farben bis hin zur völligen Losgelöstheit von realistischen Vorbildern.

Während impressionistische Gemälde die Realität verklärt darstellen und idealisiert wiedergeben, werden die Linien im Expressionismus zunehmend wilder, bis im Kubismus die Modelle geistig als Porzellanstatue betrachtet werden, die zu Boden geschmettert und wieder zusammengepuzzelt werden, sodass viele kleine Flächen versetzt zusammengesetzt werden. Im Suprematismus schließlich wird vollständig gegenstandslos gemalt und die Bilder zeigen Linien, rechteckige Flächen, Kreise und andere Grundformen.

Mir selbst gefallen die realistischen Gemälde alter Meister ausgesprochen gut und ich bewundere die malerischen Fähigkeiten, die zur Erschaffung der Werke eines Raffael oder Rembrandt nötig sind. An der Romantik und dem Impressionismus schätze ich die dezente Farbführung, das Spiel mit Licht und Schatten und die leicht mystische Stimmung, die in den Werken eines Caspar David Friedrich oder Claude Monet anklingt. Dagegen fehlt mir der Zugang zu der geometrischen Kunst des Abstrakten. Aus mathematischer Sicht wissen mir derlei Bilder zwar zu gefallen (Symmetrie, Geradheit und so weiter), ich sehe darin aber keine Kunst. Die Frage danach, was ein abstrakter Künstler mit seinem Werk ausdrücken will, kann ich also nicht zufriedenstellend beantworten.

Was macht Kunst zur Kunst? Für mich sind es die handwerklichen Fähigkeiten, die Natur erkennbar abzubilden, weshalb ich auch die photorealistischen Werke der 1970er Jahre schätze. Während Picasso etwa Talent hatte, und mir die Bilder im Rahmen des Stils noch gefallen, sehe ich die Bilder eines Kasimir Malewitsch nicht mehr als Kunst an (im Sinne von „Das kann ich auch!“). Natürlich wird auch er sich etwas bei seinen Bildern gedacht haben, das über bloße monetäre Motivation hinausgeht, ich erkenne aber in dieser Art von Kunst nichts. Dazu kommt der Eindruck, der Künstler wolle sich mit seiner Kunst über die restliche Menschheit erheben („Ich kann etwas und verstehe etwas, das ihr nicht könnt und nicht versteht“), und dieser Hochmut entzweit mich noch mehr mit abstrakter Kunst.

Kann unter diesen Vorzeichen ein LEGO-Set, das sich der modernen Kunst, und da besonders dem Kubismus und Abstrakten verschrieben hat, in mir etwas wie Gefallen hervorrufen? Mein erster Eindruck von dem Set auf Basis des Kartons ließ mich die Frage mit einem sehr deutlichen Nein beantworten. Sehen wir nun, ob sich dies im Laufe des Aufbaus und Reviewschreibens hat ändern können.

Setumfang

Vor der 18+-üblich vollständig schwarzen Box hebt sich das knallbunte Modell deutlich ab. Der seitliche Schriftzug „Modern Art“ lässt hinsichtlich der Schriftgrößen der beiden Wörter erahnen, dass auch der Grafikdesigner der Verpackung nicht unbedingt von dem Set überzeugt war. Modern ist es fraglos – Baujahr 2023 –, aber Kunst?

Die Rückseite der Box wird von drei Lifestyle-Bildern geziert, die aber alle nur das erste Modell präsentieren. Lediglich ein kleiner Streifen auf der Vorderseite weist auf die Umbauoptionen hin.

Im Inneren der Box befinden sich Tüten für sieben Bauabschnitte, zwei lose 8 x 16-Platten und die Anleitung. Sticker sind nicht vorhanden, allerdings auch keine bedruckten Teile.

Die Bauanleitung bietet zunächst einen Einstieg in das Set, die reklamiert, das Haus des Käufers mit dem Set in eine Galerie verwandeln zu können und ihm nahelegt, das Modell nach seinem eigenen Geschmack umzubauen. Man könne nichts falsch machen. Darauf folgt ein Überblick über die einzelnen Module, die nun gebaut werden.

Aufbau

Der Aufbau gliedert sich in sieben Abschnitte, von denen die ersten beiden dem Bilderrahmen und die nachfolgenden fünf den Kunstmodulen gewidmet sind.

Bauabschnitt 1 und 2

Zunächst wird der Bilderrahmen zusammengesetzt. Er besteht ausschließlich aus weißen Teilen, wenn man von den beiden 2 x 2-Steinen im Inneren absieht. Warum da ausgerechnet rote Teile verwandt werden mussten, weiß wohl nur LEGO selbst. Vielleicht sollte auf diese Weise die Liebe des Designers zu dem Set ausgedrückt werden.

Der Rahmen misst 20 x 32 Noppen und ist in der sogenannten Sandwichbauweise konstruiert. Dabei werden eine Schicht Platten, eine Schicht Steine und eine weitere Schicht Platten übereinandergestapelt, um ein dünnes, gleichwohl sehr stabiles Konstrukt zu ergeben. Die Oberseite wird anschließend mit Platten und Fliesen (und Hybriden, also Platten mit weniger Noppen, vor allem Element 41740) ausgelegt, sodass die nachfolgenden Module am Rahmen befestigt werden können, ohne zu fest zu liegen, um auseinandergenommen werden zu können.

Der Rahmen selbst ist ein Zwischending aus Bilderrahmen und Leinwand, wobei die Löcher im fertigen Modell durchaus störend wirken, wenn man das Set nicht an eine weiße Wand hängt und die Tapete hindurch leuchtet. In meinen Augen hätte man eher die Mosaik-Platten (65803) nutzen sollen, um einen vollständigen Untergrund zu erreichen. Letzten Endes hat die Leinwand echter Kunstwerke ja auch keine Löcher.

Bauabschnitt 3

Im dritten Bauabschnitt werden die ersten Module für das Kunstwerk gebaut. Zwei baugleiche 8 x 16-Platten in Blau und Hellrosa werden mit Platten, Fliesen und modifizierten Platten bedeckt, um die Anzahl Noppen zu reduzieren. Beide Konstrukte werden später genutzt, um in einigen Modellen Teile der Lücken in der Leinwand zu überbrücken. Mir ist nicht ganz klar, warum nicht stattdessen Element 18922 oder 71772 genutzt wurde, die Kleinteile erlauben aber eine bessere Nutzung des Sets als Teilespender.

Als dekorative Elemente werden hier blaue Rechtecke, hellorangefarbene Viertelkreise, rosafarbene Winkel und zwei verschiedene Halbröhren in Bright Light Orange und Blau gebaut, die meisten davon vierfach. Diese Monotonie trägt wenig zu einem interessanten Bauerlebnis bei, das ich bei 18+-Produkten erwarte.

Die Bauanleitung behauptet, die Elemente hier dienten dem Bau von Gleichgewicht im Modell, nur leider sind die beiden abgebildeten Kunstwerke unten wenig symmetrisch, also ohne spürbares Gleichgewicht. Auch die hier eingeführte Drittel-Regel sehe ich nicht wirklich erfüllt. Während LEGOs Bauvorschläge beide Ideen durchaus umsetzen, sind die Beispielbilder wenig geeignet.

Bauabschnitt 4

Nun folgen weitere vier Viertelkreise in Rot, zwei Vollkreise in Bright Light Orange, zwei rechteckige Platten mit 4 x 8 Noppen in Dark Turquoise, zwei lange, rechteckige Platten der Größe 2 x 12 Noppen in Rot und vier schwarze Bogensegmente mit innerem Viertelkreis. Diese bilden das bisher einzige Element, bei dem überhaupt mal von dem bloßen Stapeln von Platten und Kacheln abgewichen wurde und mit Element 41682 eine seitliche Befestigung erreicht wurde. SNOT-Technik für Kleinkinder, wenn man so will.

Die jetzt erschaffenen Elemente sollen Rhythmus in das Bild bringen, indem jede Ecke der Leinwand unterschiedlich gestaltet wird. Dies solle mittels der Wiederholung von Elementen erreicht werden. Mir erschließt sich allerdings nicht, warum die Viertelkreise hier rhythmisch wirken, während die im vorangegangenen Abschnitt Gleichgewicht bringen. Dagegen passen die beiden hier abgebildeten echten Kunstwerke durchaus gut zu der Botschaft hinsichtlich der Bildkomposition.

Bauabschnitt 5

Im fünften Bauabschnitt folgen zwei weitere Kreise, diesmal in Schwarz und mit vier Platten Höhe, zwei weitere Rechtecke in Rot und lange Rechtecke in Dunkeltürkis, nebst zwei gleichfarbigen Dreiecken. Zwei abgestufte Dreiecke in Bright Pink, eines mit zwei, das andere mit fünf Platten Höhe, vervollständigen die hier konstruierten Elemente.

Diese sollen nun mittels diagonaler Linien Bewegung in das Bild bringen, was durchaus auch meinem Kunstverständnis entspricht. Dagegen sehe ich auch hier nicht, warum die beiden Rechtecktypen und die Kreise eine andere kompositorische Wirkung als eben erreichen sollen. Auch hier kann man die Auswahl der echten Kunstwerke als passend bezeichnen, wenngleich ich keinen Brennpunkt sehe. Bezüglich des letzten Satzes „And now, for the final touch, give your masterpiece an intriguing name that really draws the viewer in“: Ist es wirklich der Titel, der die Kunst zur Kunst macht? Ist René Magrittes Pfeife erst dann keine Pfeife mehr, wenn ich es darunterschreibe?

Bauabschnitt 6

Der sechste Bauabschnitt lässt uns tief in die kompositorischen Ideale eines jeden LEGO-Sets abtauchen. Eine Explosion von Farben visualisiert außergewöhnlich gut die Idee des Abstrakten. Jede der Farben hat ihre eigene Bedeutung, die aufgrund ihrer speziellen Anordnung ein überwältigendes Bauerlebnis sicherstellen sollen.

Soweit die Idee. In der Realität erweckt das Zusammensetzen quietschbunter Teile bei mir leider intensive Assoziationen an die Zeit als Fünfjähriger, als mein ganzer Stolz eine Kiste bunter Steine war. Es heißt zwar, dass die bunten Teile den Aufbau erleichtern sollten, da neben dem Formkontrast auch ein Farbkontrast in der Anleitung auftritt, ich bezweifle aber, dass LEGO dazu beweisen müsste, wie umfangreich ihre Farbpalette ist.

Die gerade entstandenen Überlegungen bezüglich der Aussage der fraglos intensiv durchdachten Komposition farbenfroher Teile werden im weiteren Verlauf des Baus dieses Abschnittes leider zunichte gemacht, bekommt die Plattform doch einen komplett blauen Überzug, der einen fast kreisförmigen Teller bildet.

Nur auf der Unterseite leuchten noch einige Farben hindurch, ich denke aber, die Anzahl kunstbegeisterter LEGO-Fans, die sich das Set mit der Rückseite vor einen Spiegel hängen, dürfte überschaubar sein, dementsprechend ist eine weitere Verkleidung nicht nötig. Von oben und der Seite wirkt der Teller wirklich gut und ist zweifelsohne das am interessantesten gebaute Modell des ganzen Sets. So könnte man es als farblich abstrahierten Vollmond oder als Sonne betrachten, oder aber als Untergrund für die restlichen Elemente nutzen, wie es auch in den Modellen erfolgte.

Ideen bezüglich der Komposition liefert die Anleitung hier nicht, es dürfte aber auch schwerfallen, die Wirkung eines einzigen Moduls ausgiebig zu beleuchten. Unabhängig von dem Set kann der Teller auch sehr gut zur Präsentation von kleinen Modellen genutzt werden und ist definitiv das Highlight aller Elemente hier, nicht zuletzt aufgrund der schönen Bauweise.

Bauabschnitt 7

Im letzten Bauabschnitt folgen ein großer, weißer Kreis, zwei schwarze Halbkreise und zwei schwarz-weiße Halbröhren, eine davon sitzt auf einer schwarzen 1 x 8-Platte, die andere auf einer weißen. Letztere ergeben einen leicht psychedelischen Effekt, der für mich die Essenz des Abstrakten durchaus gut transferiert. Eine Reihe mir bekannter Bilder abstrakter Kunst nutzen diesen extremen Hell-Dunkel-Kontrast auf engstem Raum, um visuelle Spannung zu erzeugen. Leider bietet die Anleitung hier – inkonsequenterweise – keine Doppelseite mit kompositorischen Hintergründen, was mir als grobes Versäumnis erscheint. Wer mit etwas anfängt, sollte es auch zu Ende führen, zumal „Tension“ durchaus ein wichtiges Kapitel wäre.

Zudem werden nun zwei Aufhänger für den Bilderrahmen gebaut (67139), die später in die Technic-Steine des Rahmens gesteckt werden. Und nun folgt das große Rätselraten: Zwei weiße Halbkreisplatten, zwei 2 x 2-Kacheln und zwei Technic-Pins bleiben bewusst übrig, was in der Anleitung auch explizit so gesagt wurde. Allerdings werden die Teile nirgends jemals eingesetzt, sodass ihr Nutzen recht enigmatisch ist. Meine Vermutung ist, dass sie zur Personalisierung genutzt werden sollen, dagegen spricht aber, dass die Halbkreise nur mit den Kacheln des Vollkreises gefliest werden können und die weißen Kacheln und noch viel mehr die Pins überhaupt keinen Platz haben, um sinnvoll genutzt zu werden. Bis ich eines Besseren belehrt werde, sehe ich die sechs Teile also als Nachschub für meine Teilekiste an.

Bauelemente

Bevor die Bilder nun zusammengestellt werden, bietet es sich an, die Aufhänger in den Bilderrahmen zu stecken, wobei sowohl Hoch-, als auch Querformat möglich sind, definitiv ein Pluspunkt an dem Modell.

Hier in der Übersicht seht ihr die erstaunliche Vielzahl an Elementen, die in den vorangegangenen Abschnitten zusammengesteckt wurden. Rein nach Volumen bin ich wirklich positiv überrascht, nur bestehen die einzelnen Elemente selten aus mehr als einer Handvoll Teile.

Ersatzteile

Neben besagten Teilen ohne Platz liegt dem Set ein türkisfarbener Steinetrenner bei, der mir sehr willkommen ist, da ich fast ausschließlich orangefarbene habe und die Farbe das Steinetrennerlebnis maßgeblich beeinflusst.

Die definitiv als Ersatzteile beigelegten Teile sind so durchdacht, dass man damit das Hauptmodell im Nano-Maßstab nachbilden kann. Das nenne ich abstrakte Kunst! Jedoch ist keines der Teile in irgendeiner Form besonders – wie denn auch, wenn die Bautechniken sich auf das Minimale beschränken, und damit auch der Bedarf spezieller Kleinteile nahe Null ist.

Modelle

Die Bauanleitung schlägt vier Kunstwerke vor, die aus den Elementen zusammengesetzt werden können. Dazu werden diese auf den Rahmen, den blauen Teller, die beiden großen Platten und teils auch aufeinander gebaut, um bestimmte Formen zu bilden.

Modell 1

Das Hauptmodell ist das einzige, bei dem nicht alle Elemente verwandt werden; die verbleibenden können im Prinzip als kleines Kunstwerk zusammengebastelt werden. Das Bild selbst interpretiere ich als kubistisches Bildnis einer Frau. Auch wenn ich der avantgardistischen, abstrakten Kunst wenig abgewinnen kann, handelt es sich hier cum grano salis um ein durchaus ansprechendes Motiv. Mein größtes Problem ist, dass ich zu figürlich denke und daher versuche, in jedem Element ein reales Vorbild zu finden, was bei der abstrakten Kunst naturgemäß kaum bis unmöglich ist.

Modell 2

Das zweite Modell erinnert mich auf Entfernung an eine Musiknote, sodass ich das Bild hinsichtlich einer inhärenten Rhythmik interpretieren würde. Ein wirkliches Vorbild sehe ich allerdings nicht, sodass es hier mehr um die Geometrie als solche zu gehen scheint.

Modell 3

Sehr symmetrisch wartet das dritte Modell auf, das mich an eine Kuckucksuhr oder einen Teller aus chinesischem Porzellan erinnert. Sehr gerade Linien erzeugen einen beruhigenden, stabilen Effekt, der durch die Kreise aufgelockert wird. Dazu ist die vermeintlich zweizählige Symmetrieachse nicht vollständig, da die langen roten und dunkeltürkisfarbenen Rechtecke einer Translations- statt Rotationssymmetrie folgen und die rosafarbenen Stufendreiecke unterschiedlich hoch sind. Dazu haben die beiden großen Platten unterschiedliche Farben, was aber kaum auffällt.

Modell 4

Beim vierten Modell muss ich fatalerweise an Kater Garfield denken: Links der Kopf mit halb geschlossenen Augen, rechts der nach hinten weisende Körper. Alternativ kann ich mich auch überreden, den Kopf einer liegenden Frau zu sehen, wobei die Viertelkreise in ihrer welligen Anordnung für eine hohe Dynamik in dem Bild sorgen.

Modell 5, 6, 7, …

Die Anleitung bietet Inspiration, aus den Elementen eigene Kunstwerke zu erschaffen, um sein ganz persönliches Bildnis zu kreieren. Leider mangelte es mir an Zeit, selbst kreativ zu werden und ein Modell zu bauen, das zwar noch immer bunt ist, allerdings weniger abstrakt und mir daher mehr zusagend. Mit obigen Bildern der zusammengelegten Elemente jedes Bauschritts könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie ich mir das denke, nur dürfte die Leinwand rasch zu klein werden.

Zu guter Letzt empfiehlt LEGO noch, doch zwei der Sets zu kaufen, um mit den vielen Elementen und dem größeren Rahmen ein ganz anderes Bild erschaffen zu können. Von Verkaufsförderung einmal abgesehen, wirkt das beispielhafte Modell auch einfach überladen, sodass ich mich eher abgeschreckt fühle.

Eckdaten des Sets

Fazit: LEGO Art 31210 Moderne Kunst

Ich bin außerordentlich zwiegespalten, wie ich das Set nun beurteilen soll. Einerseits finde ich es nicht verkehrt, dass LEGO auch mit nicht-gegenständlicher Kunst experimentiert und ein Set herausbringt, das auf vielfältige Weise Personalisierung zulässt, andererseits kann ich den Modellen wenig abgewinnen. Am ehesten gefällt mir noch das Hauptmodell, und auch da hat sich erst im Zuge der ausgiebigen Beschäftigung zwecks Reviews die anfängliche Abscheu gemildert. Der 3D-Effekt durch die übereinandergelegten Elemente ist nicht schlecht, beeinträchtigt aber den Eindruck von Nahem, da die Grenzen zu deutlich hervortreten. Auch die Farbexplosion ist nicht meine Sache, da mir die Kohärenz in den Bildern fehlt.

Also: Vom Standpunkt eines Liebhabers abstrakter Kunst kann das Set durchaus gefallen, es ist nur eben überhaupt nicht mein Geschmack. Ich halte es eben mehr mit photorealistischer, renaissancistischer und impressionistischer Kunst. Abermals zynisch ausgedrückt: Wenn die Kunst es ist, die Kunst zu verbergen (ars celare artem), dann haben die Designer alles richtig gemacht.

Aus Sicht eines LEGO-Fans lässt das Bauerlebnis zudem sehr viel zu wünschen übrig. Den Bau des blauen Tellers habe ich genossen, der Rahmen hat noch durchaus Spaß gemacht, aber die Elemente selbst erzeugten sehr schnell Überdruss (anders bei den Mosaiken, wo der konsequente Bau von 1 x 1-Kacheln und -Platten eine entspannende Wirkung entfaltet). Dazu kommt, dass stellenweise sogar zu viele Noppen freigelassen wurden, sodass der Ab- und Umbau bisweilen mit der Teilzerstörung einzelner Elemente einhergeht. Farblich ist das Set zudem sehr knallig, was die Verwertung als Teilespender einschränkt und entsprechend einen Kaufgrund weniger bedeutet. Rein vom Teilepreis ist das Set sehr gut und liegt etwa auf einer Linie mit den Classic-Boxen, die ebenfalls von Personalisierung leben – nur dass bei ihnen die Altersempfehlung geringer ist und nicht so nachdrücklich darauf hingewiesen wird, dass man ohne das Set nicht kreativ werden kann.

Wenn nun in Zukunft unter dem Banner „Art“ nur noch eckige Mondrianverschnitte erscheinen, die die Nutzung von LEGOs Grundfarben und Grundelementen zelebrieren, wendet sich, freundlich gesagt, mein Interesse anderen Themenwelten zu. Handelt es sich dagegen um einen einmaligen Versuch, etwas Neues zu testen, so sehe ich das Problem als weit weniger gravierend an. Dafür spricht auch der geringe Anfütterungspreis, bei dem ich davon ausgehe, dass LEGO damit testen will, wie so ein „anderes“ Set bei den Kunden ankommt.

Was dem Set meines Erachtens sehr gutgetan hätte, ist, analog zur 21333 Sternennacht eine Minifigur beizulegen, die das abstrakte Bild erneut abstrahiert malt, wofür man sogar nötigenfalls das Bild der Kunstgalerie (87079pb1077) im 10297 Boutique-Hotel hätte wiederverwerten können.

Insgesamt darf man bei dem Set keinen wirklichen Bauspaß erwarten und kann sich nur an dem finalen Ergebnis laben, wenn es einem denn gefällt. Ich für meinen Teil hoffe darauf, dass künftige Sets wieder realistischere Kunst abbilden, bis dahin erfreue ich mich an der Vielzahl anderer Sets in LEGOs Sortiment, die mir besser gefallen.

Bewertung

Positiv Negativ
  • mutiger Schritt zur abstrakten Kunst
  • Personalisierungsmöglichkeiten
  • akzeptabler Preis
  • in meinen Augen wenig ansprechende Motive
  • unfertiger Eindruck der Bilder
  • zu bunte Elemente
  • Leinwand mit Löchern
  • sehr geringer Bauspaß
  • nicht zu Ende geführte Erklärung der Komposition in der Anleitung
  • keine Minifigur

Vielen Dank an die LEGO Group, die uns dieses Set für unser Review zur Verfügung gestellt hat. Der Artikel gibt jedoch ausschließlich meine persönliche Meinung wieder.

Eure Meinung!

Wem von euch gefällt das Set besser als mir und wird es sich früher oder später besorgen? Wer hat andere Ideen, was die Modelle tatsächlich darstellen sollen? Und seid ihr nun inspiriert, eure ganz eigenen Ideen abstrakter Kunst umzusetzen? Äußert euch gern in den Kommentaren!

Simon Brandt

Seit frühester Kindheit begeisterter LEGO-Fan und sammelt vor allem City und Creator.

13 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Abstrakte Kunst finde ich persönlich nicht ansprechend. Mir würde das set wirklich nur als Teilespender dienen.

  2. Meine Meinung: Unnötiges Set, vielleicht mir Rabatt als Teilespender zu gebrauchen

  3. Als Grafik-Futzi bin ich zwar kunst- und gestaltungsaffin, aber wirklich spannend finde ich an dem Set nix. Diese konstruktivistische Pop-Art Interpretation wirkt dann doch etwas willkürlich und zu bemüht. Ja, sicher okay, aber man hat sich auch schnell dran satt gesehen und für wirklich freie Gestaltung fehlt es eben an mehr Teilen in anderen Farben. Für 30 Euro als Teilespender würde ich’s sicher mal mitnehmen, aber mehr eben auch nicht.

  4. Das ist komisch, aber ich erkenne in allen Varianten einen kleinen niedlichen Hund mit einer Schleife im Haar.

    • Über eine derartige Interpretationsfähigkeit hätte sich so mancher Künstler gefreut… Vor allem, wenn die Assoziationen dann noch positiv ausfallen – wenn es denn nur ernst gemeint gewesen wäre…

  5. Bei moderner Kunst bekomme ich nur Kopfschmerzen. Vor allem, wenn überhaupt nichts für mich zu erkennen ist. Einige Bautechniken sind vielleicht ganz interessant. Aber so ein Set kann in meinen Augen nur als Teilespender dienen, wobei die Farben mich aber nicht wirklich ansprechen.

  6. Also, ja ich kann die Meinungen verstehen, aber Kunst ist doch auch immer „Kunst im Sinne des Betrachters“. Natürlich ist die Farbwahl eine etwas in erster Linie schwer nachzuvollziehende Zusammenstellung. Trotzdem kann ich, wenn ich mir die Bilder immer und immer wieder betrachte auch eine Stimmung ausmachen. Teilespender hin oder her, man muss ja nicht an den Modellen festhalten. Und 3D ist nun auch nur vorgegeben. Eine Zusammenstellung in 2D und in einem schwarzen Rahmen, mit einigen weiteren Farben aus dem Baukasten…?

    Selbst die komischen Bilder der Geissens mit Kombinationen aus der Lustigen Taschenbuch-Welt finden ihre Fans…

    Langer Gedanken: Wollte dem Set nicht unbedingt nur eine schlechte Betrachtungsnuance geben. Man muss einfach auch die Stimmung betrachten. Wenn ich besoffen wäre, würde ich sicherlich noch viel mehr in den Farben sehen. Daher, wie viele Schreiben, mit Rabatt einmal kaufen, wirken lassen und dann eben ein Teilespender…!

    • So ging es mir auch. Mein erster Eindruck war wenig dazu geeignet, das Set zu mögen, aber über die Zeit des Reviewschreibens hat sich das etwas zum Positiven geneigt. Es gefällt mir jetzt immerhin besser, also weniger schlecht, als vorher. Mit dem richtigen Betrachtungswinkel (Kunststudent, Galerist abstrakter Kunst etc.) kann das Modell sicher auch gefallen.

  7. Danke für das sehr ehrliche Review und vor allem die Fotos. Ich lass jetzt mal kurz den Klugscheisser raushängen, um deiner Argumentation gegen „abstrakte Kunst“ etwas entgegenzustellen, komme am Ende aber auf dasselbe Ergebnis, dass das Set nämlich leider keine Kunst ist. 😉
    Kunst auf Können zu reduzieren, ist ein bisschen zu kurz gegriffen, denn dann wäre z. B. eine toll gestaltete Parkbank evtl. auch Kunst. Warum ist sie das nicht?Ob etwas Kunst ist oder nicht hängt von dem Zusammenspiel verschiedener Aspekte ab – und im Grund hast du im Review auch mehrere genannt, wenn du sagst, dass dir Renaissance Kunst so gut gefällt.
    Eine Ebene ist das Handwerkliche, wie gut, schlecht, detailreich, clever etc. etwas gemacht ist. Eine zweite Ebene ist das Ästhetisch-psychologische, wie die Sache auf mich wirkt – schön, erschreckend, verstörend, befreiend, erhaben etc. Eine dritte Ebene ist die Historische, also in welchem Verhältnis steht dieses Kunstwerk zu anderen, was wird aufgegriffen, weitergedacht, verändert, überworfen etc. Eine vierte ist biografische Ebene, in welchem gesellschaftlichen, kulturellen, politischen etc. Kontext ist das Kunstwerk geschaffen. Vielleicht gibt es noch mehr Ebenen. Die Pointe ist, dass mehr als eine, besser noch mehr als zwei dieser Ebenen vorkommen müssen, um etwas als Kunst zu erachten. Die Parkbank z.B. bedient nur das Handwerkliche und Das-kann-ich-auch-Kunst vielleicht alle Ebenen außer der Handwerklichen. Von der Renaissance Kunst sagst du, dass sie beeindruckend gemacht ist (handwerklich) und auf besondere Art auf dich wirkt (psychologisch). Dass sie auch die historische und biografische Ebene bedient, macht sie halt auf den ersten Blick zu Kunst. Bei Mondrian erst auf den zweiten.
    Fazit: das Lego-Set bedient eigentlich keine der Ebenen, vlt. ein bisschen die Historische, da es ein wenig Kunstkontext gibt.
    Klugscheisser aus. 😉

  8. Lieber Simon, vielen Dank für Deine Präsentation dieses Bausatzes! Die Viertelrundfliesen mit dem Radius drei interessieren mich schon, werde Steine und Teile intensiv beobachten. Die Anleitung für den blauen Kreis werde ich auch studieren. Könnte dieser nicht für Deine Stadt das Dach eines runden Gebäudes werden? Sensationelles Kleinmodell aus den Resten!!! Ich hoffe ab sofort auf das Schwarze Quadrat, gern mit viel Textur (((-:

  9. Angry Fan of Lego

    12. Juli 2023 um 11:59

    Sieht aus wie das Innere der meisten gängigen Lego Sets, verstehe nicht warum man dafür ein eigenes Set rausbringen muss?

  10. Alle Achtung! Sehr ausführliche Kunstexkursion.
    Ich wollte dem Set noch eine Chance geben und hab es mit Zahnrädern aufgepeppt…etwa Tinguily dazu 😀
    https://youtube.com/shorts/YqvrlmGs4co?si=frhi6MrNJnAaFf8Q

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